Stillvorbereitung: Das kommt doch schon im Geburtsvorbereitungskurs vor.
Oder?

Ich bin ein großer Fan von guter Vorbereitung! Deshalb habe ich in meiner Schwangerschaft auch selbst einen Stillvorbereitungskurs mitgemacht. Obwohl ich schon sehr viel zum Thema gelesen hatte. Obwohl es einen Termin beim Geburtsvorbereitungskurs gab, an dem es nur um das Stillen ging. Und auch obwohl wir als Paar sogar einen Säuglingspflegekurs gemacht hatten.

Du fragst dich jetzt vielleicht: Muss man all diese Kurse machen??? Nein, muss niemand. Ist es sinnvoll, die für sich passenden herauszusuchen? Auf jeden Fall!

Warum Stillvorbereitung in meinen Augen so wichtig ist, schreibe ich dir hier auf.

  1. Das Thema Stillen ist ganz schön umfangreich!
    Genau wie über die Schwangerschaft oder die Geburt gibt es über das Stillen inzwischen so einige Bücher. Und Blogs. Und Facebook-Gruppen (Warum ich mich mit einigen davon schwertue, lest ihr an anderer Stelle). Und bestimmt noch viel mehr. Es gibt verschiedene Berufsgruppen, die sich damit beschäftigen und inzwischen sogar mehrere Ausbildungsinstitute, die Stillberater:Innen ausbilden – und das ziemlich umfangreich bis hin zu einem internationalen Examen.
    Wenn du Lust, Zeit und Muße hast, dir dieses Wissen selbst anzueignen und zu filtern, dann ist das natürlich ebenso nützlich. Aber es kostet dich eben genau das: Zeit. Und du wirst vermutlich auch Dinge lesen, die dich mehr verwirren, als dass sie dir helfen, weil sie widersprüchlich sind. Oder du stößt auf Themen, die sehr in die Tiefe gehen und dich nur noch mehr verunsichern, ob das mit dem Stillen überhaupt so eine gute Idee ist und ob du das wirklich kannst und ob…. Du weißt, was ich sagen will.

    In einem Stillvorbereitungskurs werden vor allem die Themen besprochen, die häufig zu Problemen führen – damit es bei dir erst gar nicht so weit kommt. Und du bekommst direkt mit an die Hand, was du beachten oder tun kannst, wenn doch mal etwas nicht so optimal läuft. Denn was läuft schon immer nach Lehrbuch? Natürlich auch das Stillen nicht zwangsläufig. Aber du hast dann bereits Strategien an der Hand, wie du dir und euch selbst helfen kannst. Ist das nicht ein gutes Gefühl?

  2. So wertvoll: Bestärkung, genau EUREN Weg zu finden
    Zu allem Faktenwissen bekommst du zusätzlich Bestärkung für deinen Weg – auch wenn es bedeutet, dass du dich nach dem Kurs gegen das Stillen entscheidest (auch das ist natürlich möglich). Denn jede Entscheidung lässt sich am besten mit guten Informationen im Hintergrund treffen. Eigentlich sogar nur dann, finde ich. Nur dann kannst du das Für und Wider in eurer ganz eigenen Situation abwägen und überlegen, was für EUCH umsetzbar ist und was IHR wollt.

  3. Die Stillraten in Deutschland sind… ausbaufähig

    Das hat gleich zwei Aspekte.
    Zum einen bedeutet es, dass du eigentlich relativ selten stillende Frauen in deiner Umgebung siehst und erlebst. Und wir Menschen lernen häufig am Modell, das heißt indem wir uns abschauen, wie etwas funktioniert. Oft kennen junge Mamas niemanden in ihrer Umgebung, der gestillt hat oder es aktuell tut. Entsprechend kannst du da nicht einfach „nebenbei“ lernen, in dem du zuguckst oder auch mal eben um Rat fragen.
    Zum anderen ist es so, dass in Deutschland nur ein geringer zweistelliger Prozentsatz der eigentlich anfangs total motivierten Mütter mit sechs Monaten ihre Kinder noch (ausschließlich) stillt, weil irgendwo auf dem Weg dahin Stillprobleme oder Unsicherheiten aufgekommen sind. Das führt leider sehr oft zum (von den Müttern ungewollten) Abstillen. Dabei wäre das manchmal (oder ganz ketzerisch sage ich sogar: oft) gar nicht nötig.
    Es konnte bereits in Studien belegt werden, dass es nach einer guten Stillvorbereitung deutlich seltener zu Stillproblemen kommt. Du bist nämlich dadurch in der Lage, mögliche Klippen zu erkennen und bereits zu umschiffen, wenn du sie auf dich zukommen siehst. Und wenn es doch mal schwierig wird, weißt du oft schon, was du selbst tun oder wen du um Rat fragen kannst. Das führt dann oft schon zum nächsten Punkt:

  4. Hätte, hätte, Fahrradkette

    Wie immer ist es ein absoluter Booster für unser Selbstbewusstsein, wenn wir etwas selbst und aus eigener Kraft heraus schaffen. Und die Chance, dass das nach einer guten Vorbereitung passiert, ist deutlich höher als ohne.
    Die Werbung der Hersteller von Babynahrung zeigt gern das Bild der überglücklichen Mutter, die ihr Kind „einfach anlegt“. Alles sieht so kuschelig weich und einfach und problemlos aus. Hach, herrlich! Und ich wünsche jeder Mama, die stillen möchte, dass es genau so kommt! In der Realität ist es jedoch oft so, dass ihr erstmal zusammen üben müsst und dass es anfangs hier und da ruckelt. Das gehört dazu und darf so sein, es sollte nur nicht zu weiteren Problemen führen, die euch die erste Zeit vermiesen. Denn die bekommt ihr nicht zurück.
    Klar, meine Wahrnehmung als Stillberaterin ist in die genau entgegengesetzte Richtung gefärbt. Die Stillpaare, bei denen alles wunderbar läuft, die kommen gar nicht erst zu mir 😉 Aber ich sehe eben auch genau die Familien, die mit den richtigen Infos in manche Falle gar nicht erst hereingetappt wären. Und wie oft höre ich in Beratungen den Satz „Ach, hätten wir das mal vorher gewusst…“

  5. Es hält sich ganz schön viel altes Zeug in den Köpfen

    Als Ärztin bin ich es gewohnt, dass immer weiter geforscht wird und es so zu neuen Erkenntnissen kommt, die alte Theorien über den Haufen werfen oder auch Vorgehensweisen verändern. Zum Glück! Medizinisches Wissen verdoppelt sich im Schnitt alle zehn Jahre. Leitlinien werden (wenn es gut läuft) alle fünf Jahre aktualisiert. Und das wird dann auch (zumindest gefühlt) wenig hinterfragt.
    Beim Thema Stillen ist das anders. Da wird – leider auch von medizinischem Fachpersonal – gern mal Zeug erzählt, von dem man vor 30 oder mehr Jahren der Meinung war, dass es richtig ist. Nicht aus bösem Willen, nein. Ich erzähle mal aus dem Ärzte-Nähkästchen: Im Studium lernen wir nichts (!) übers Stillen, in der Facharztausbildung kommt es sicher darauf an, wofür man sich interessiert. Viele KollegInnen haben während der IBCLC-Ausbildung erzählt, wieviel davon ihnen neu war – obwohl sie teils schon länger in der Gynäkologie oder Kinderheilkunde arbeiteten. Ein ständig herrschender Zeitmangel und wirtschaftlicher Druck machen die Sache nicht gerade besser. Viel zu oft haben die Krankenhäuser noch gar kein Interesse daran, das Stillen wirklich zu unterstützen. Und Beratung (auch im ambulanten Bereich) wird leider schlecht bis gar nicht bezahlt. Traurig genug, aber so ist es nun mal. Und nicht zuletzt: Auch wir ÄrztInnen sind eben nicht allwissend. JedeR hat Spezialgebiete, die ihn oder sie mehr interessieren als andere – oder eben nicht. Und da kommt es eben sehr darauf an, an wen man als Stillende gerät.

  6. Gut informiert, ist halb gekontert

    Und dieses „alte Zeug“ hält sich nicht nur beim Fachpersonal. Noch fester hängt es manchmal in den Köpfen von Bekannten, Großeltern, anderen Eltern mit ganz anderen Erfahrungen und Kindern als ihr sie habt… „Aber du kannst ihn/sie doch nicht ständig stillen! Wenn die neue auf alte Milch kommt, bekommt das arme Kind noch Bauchschmerzen. Frühestens nach vier Stunden macht das Anlegen wieder Sinn. Überhaupt… der/die gewöhnt sich da noch dran! Und uns hat das ja auch nicht geschadet.“ Ein Klassiker – einer von seeeehr vielen.
    In einem Stillvorbereitungskurs lernt ihr nicht nur, welche davon vielleicht doch wahr sind (kleiner Spoiler: die allerwenigsten), sondern hört auch Argumente, warum heute Dinge anders gemacht werden. Wenn man es dann noch schafft, diese Infos empathisch und wertschätzend rüberzubringen, dann kann vielleicht auch die Oma ihre Sorgen um das arme Kind loslassen und es einfach in vollen Zügen genießen.
    Und ihr selbst lasst euch nicht gleich mit ins Bockshorn jagen, wenn jemand sagt, dass ihr bestimmt zu wenig Milch habt. Stattdessen wisst ihr, worauf ihr achten müsst oder wer euch vielleicht helfen kann, letzte Unsicherheiten auszuräumen.

  7. Das Stillen steht und fällt (manchmal) mit den PartnerInnen
    Am besten bereitet ihr euch als Paar gemeinsam auf das Stillen vor. Tatsächlich ist bewiesen, dass auch die Unterstützung des Partners oder der Partnerin ganz entscheidend dazu beiträgt, ob und wie eine Stillzeit „erfolgreich“ verläuft. WächterIn des Wochenbetts, liebevolle Massagen, die das Oxytocin fließen lassen, Motivation, „be-muttern“… es gibt einiges zu tun. Und wenn ihr auf dem gleichen Stand des Wissens seid, könnt ihr euch auch gegenseitig bestärken.

Ist ein Stillvorbereitungskurs eine Garantie, dass alles problemlos läuft? Nein, sicher nicht. Aber die Chancen, dass ihr weniger Probleme bekommt oder diese dann zumindest lösen könnt, sind deutlich höher.

Wenn ihr das Ganze dann noch perfekt ergänzen wollt, besucht ihr auch schon in der Schwangerschaft eine Stillgruppe. Da gibt es nicht nur sachliche Infos, sondern das pralle Leben. Das, was da auf einen zukommt, kann manchmal Angst machen, aber ganz sicher vermittelt es, wie die Realität wohl ist – und nicht, was die Werbung suggerieren möchte.

Meldet euch gern bei mir, wenn ihr Infos zum Thema Stillen, Pro und Contra und jede Menge Stillfakten haben möchtet. Dann überlegen wir gemeinsam, welche Vorbereitung die beste für dich und euch ist.

1 Kommentar zu „Stillvorbereitung: Das kommt doch schon im Geburtsvorbereitungskurs vor. Oder?“

  1. Pingback: Muttermilch mit der Hand gewinnen - warum du dich schon in der Schwangerschaft damit beschäftigen solltest, wie es geht und wann du das gebrauchen kannst - lebENZgezeiten

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